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400 Jahre Protestantische Union

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Das Kreuz- und Fahnengefecht 1606
und
die Re-Katholisierung von Donauwörth 1607

Die Donauwörther Fahnenschlacht - und ihre Folgen für den Religionskrieg

Man zählt den 25. April des Jahres 1606, den Tag des heiligen Markus. Es ist erst sechs Uhr früh, und in den menschenleeren Straßen der Stadt bricht ein sonniger April-Morgen an. Vier jüngere Brüder aus dem Kloster Heilig Kreuz machen sich mit ihrem Prior Georg Boeck (1572 bis 1619) an der Spitze auf den Weg. Das Ziel ihres Bittgangs: Die Wallfahrtskirche in Auchsesheim, nur einige Kilometer weiter südlich gelegen. Erst 1598 hatte man den alten Brauch wiederbelebt – und so pilgert man nun schon das achte Mal dorthin.
Doch wer dem Ganzen diesmal fernbleibt, sind Abt Leonhard Hörmann (1602 bis 1619) sowie die älteren Patres. Offiziell heißt es, der Abt sei krank und bettlägerig. Tatsächlich haben ihm drei Ratsboten noch im Morgengrauen des 25. April eine Warnbotschaft überbracht. Sollte dem Konvent heute irgend etwas zustoßen, so könne der Magistrat keinerlei Verantwortung übernehmen.
Trotzdem macht man sich auf den Weg. Den fünf Brüdern folgt nur ein kleines Häuflein der Aufrechten mit der frommen Gräfin Fugger an der Spitze. Dazu gesellen sich einige Amtmänner des Klosters. Unter diesen befindet sich auch der Notar Johann Schrall nebst weiteren Zeugen – warum wissen nur Eingeweihte.
Mit fliegenden Fahnen und lautem Gesang bewegt sich der Zug den Markt hinunter durch die Stadt. „An solchem Hinabgehen war von jungen und alten Personen ein großes Geschrei, Gespött und Gelächter“, heißt. es kurze Zeit später in einer gedruckten „Zeytung“. Hier braute sich offenbar etwas zusammen, und so ist der Pilgerzug schon froh als er unversehrt die Wörnitzbrücke passieren kann. Von Auchsesheim glücklich zurückgekehrt, erreicht er gegen 11 Uhr das Donautor.
Der Einzug in die Stadt erfolgt friedlich, zunächst jedenfalls. All denjenigen Pilgern, die hier wohnen, werden die Tore geöffnet. Am Inneren Donautor steht dann schon eine Anzahl von Bürgern zum Empfang bereit. Von Wohlgesonnenheit kann dort allerdings kaum die Rede sein. Eher drängt sich der Eindruck eines eingeschworenen Haufens auf, der nur auf den entscheidenden Moment des Einzugs wartet. Dabei wirkt alles eigentümlich inszeniert, ja bühnenhaft; die Menge steht wie eine Ansammlung von Laiendarstellern unter den Arkaden des Portals.
Das, was einst den Stoff für die griechischen Komödien lieferte, ist in diesem Fall allerdings weniger Schwärmerei nach einem Weingelage, denn pure Aggression. Bürgermeister Wurm hat vorsichtshalber Stellung bezogen. Hoch oben, auf der Stadtmauer wähnt er sich sicher und kann doch alles gut übersehen. Offenbar kennt er seine Donauwörther nur allzu zu gut, vor allem diejenigen aus der Kapellgasse. Daß diese nicht gerade vom feinsten Schlag sind, sollten sie sogleich unter Beweis stellen.
Wohlausgerüstet mit Keulen, Hopfenstangen, Spießen und Schaufeln warten sie nur noch auf den entscheidenden Wink der Regie. Schon zuvor hat der Weinwirt BasteI Hohenschild das innere Donautor verriegelt, auf daß die fromme Schar ja nicht entweiche. „Fanget an!“ ertönt da auf einmal der laute Ruf aus der Menge. Das war das Signal zum Losschlagen, und schon hat Karl Mair, genannt „Salzmändel“, die Fahnenstange mit einem Hieb zerschlagen. Ein weiterer Laiendarsteller, BasteI Altgelt, scheint es auf das geweihte Tuch der Prozessionsfahne abgesehen zu haben. Rasch greift er zum Rapier und zerfetzt das heilige Stück in sämtliche Bestandteile. Den Stangen und Kreuzen der Deutschhausfahnen sollte es nicht besser ergehen. Schon setzt es die ersten Hiebe. Wohl verteilt, versteht sich, schließlich soll ein jeder Kreuzfahrer zu seinem Recht kommen.
Die Ehefrauen der Raufbolde feuern ihre Lieben auch noch an. An vorderster Stelle die Weinwirtin Hohenschilder, voll Stolz über den Mut ihres hieb- und kannenfesten Ehegatten. Sodann fliegen Steine durch die Luft. Hinzu kommen all die Überreste menschlicher und tierischer Betätigung, die vor Einführung der Ringkanalisation zum festen Straßenbild gehörten. Selbstverständlich fehlen nicht die Schmährufe der immer größer werdenden Schar von Neugierigen und Schaulustigen. „Verflucht sei der Antichrist in Rom, und dessen Synagoge“, skandiert die aufgebrachte Menge unter anderem. Das war noch eine der schmeichelhaftesten Bezeichnungen für jene Pilgerschar der Verdammten. Und wer bei diesem Treiben nicht zum Prügeln kommt, der streckt jenen armseligen Kreaturen einfach die Zunge aus.
Doch welch ein Wunder geschieht an jenem Tag des heiligen Markus. Die Gepeinigten können entweichen und kommen mit dem Leben davon. Weitgehend unversehrt schleichen sie sich zwischen den Misthäufen der Kapellgasse davon und erreichen schließlich den sicheren Hort des Klosterhofes. Mittlerweile haben sich auch Schall und Rauch am Donautor gelegt. Mochte dem einen oder anderen noch der Schädel brummen, unversehrt sind sie allesamt geblieben. Siegesstimmung macht sich breit, ja man spürt so etwas wie ein neues Gemeinschaftsgefühl.
Rasch schlugen jene Ereignisse ihre Wellen bis in den letzten Winkel des Reiches. Daß es keine Katholiken waren, die hier auf die Pilger eingedroschen hatten, war den auswärtigen Beobachtern natürlich sofort klar. Und egal, wohin es einen verschlug, überall war jene Donauwörther Fahnenschlacht Gesprächsthema Nummer 1. „Ja weit hette man all krieg in der Christenheit auf einen ort gesetzet, da sagte man von diesem prugelcrieg in allen gassen, Tafern, Schenkh, und Bierstuben“, erinnerte sich später Prior Boeck.
Es waren Prügel, die nicht nur sein Leben und das der Mitbrüder veränderten. Auch das Schicksal der Stadt sollte bald eine mehr als überraschende Wendung nehmen. Doch der Schatten jener Ereignisse reichte noch weiter. Denn auf einmal stand der Frieden in ganz Mitteleuropa auf der Kippe. Eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen katholischen und protestantischen Reichsständen drohte.
Laut Paragraph 27 des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zählte Schwäbisch-Werd, wie es damals noch oft genannt wurde, zu den gemischt-konfessionellen Reichsstädten. Dies hieß im Klartext: Sowohl den Lutheranern wie den Katholiken wurde das Recht der ungehinderten Religionausübung zugestanden.

Zunächst hatte das friedliche Zusammenleben auch geklappt. Doch seit dem Amtsantritt von Bürgermeister Wurm im Jahr 1595 setzte der Magistrat zunehmend auf die Alleinverbindlichkeit der Augsburgischen Konfession. Per Ratsdekret wurden die Katholiken vom Bürgerrecht ausgeschlossen.
Vor allem die Brüder von Heilig Kreuz stemmten sich gegen das selbstherrliche Regiment des Magistrats. Der neue Geist der katholischen Reform bestärkte sie in ihrem Kampf um Selbstbehauptung. Einige Mönche, allen voran Boeck, waren Absolventen der Universität Dillingen, wo sie den neuen Geist der "ecclesia militans" geatmet hatten. Von ihrem Gewissen getrieben, zogen sie erstmals in der Bittwoche des Jahres 1598 mit fliegenden Fahnen bis zur Stadtpfarrkirche. Anschließend rollten sie die Fahnen ein, um sie erst wieder beim Auszug am Donautor flattern zu lassen.
Der Rat protestierte energisch gegen diese „Neuerung“, die gegen das Herkommen verstoße. Die Mönche ihrerseits pochten auf die Einhaltung des Augsburger Religionsfriedens. Der Magistrat reagierte mit neuen Schikanen. Davon ließen sich die Mönche jedoch nicht beeindrucken. Beflügelt vom neuen Geist der Gegenreformation zogen sie ihre Bittgänge fortan Jahr für Jahr auf.
Am Markustag des Jahres 1605 wollte man noch mehr Flagge zeigen als bisher. Erstmals sollten die Prozessionsfahnen durchgehend hochgehalten werden; also nicht wie bisher, an verschiedenen Stellen eingerollt werden. Was folgte, waren die erwarteten Störungen von Seiten der Bürgerschaft. Sogleich beschwerten sich die Mönche bei ihrem Bischof. Das war kein geringer als der Augsburger Oberhirte Heinrich von Knörringen, Absolvent des Collegium Germanicum in Rom, und entschiedener Verfechter der Gegenreformation. Dieser trug die Sache an das höchste kaiserliche Gericht, den Reichshofrat. An dessen Spitze saß damals ebenfalls ein bekennender Katholik. Das Urteil erfolgte rasch und fiel in der Sache hart aus: Androhung der kaiserlichen Acht gegen Schwäbisch-Werd wegen Bruch des Land- und Reichsfriedens.
Das war also die Vorgeschichte zu jener Fahnenschlacht vom Markustag des Jahres 1606. Nach den Tumulten senkte sich das Damoklesschwert der kaiserlichen Acht-Androhung nochmals. Der kaiserliche Hofrat erneuerte sein Abmahnungsmandat. Der Rat ließ sich jedoch nicht zum Besseren bekehren, sondern wälzte alle Verantwortung auf den Pöbel ab. Es seien „meister theils Bueben und Handwerksgesellen“ gewesen, „die den auflauf verursacht“, recht fertigte sich Bürgermeister Wurm nachträglich.
Doch damit wollte sich Kaiser Rudolf II. (1576 bis 1612) nicht zufrieden geben. Am 17. März 1607 übertrug er dem Bayernherzog Herzog Maximilian I. (1597 bis 1651) eine kaiserliche Kommission. Offizieller Auftrag: Schutz der Donauwörther Katholiken in Kaisers Namen. Als die Kommissare im März 1607 dort eintrafen, wurden sie von der Bürgerschaft mit Schimpf und Spott empfangen. Wieder einmal hatte die Autorität des Magistrats versagt, doch es sollte noch schlimmer kommen.
Einige Wochen später, am Markustag des Jahres 1607, wiederholte sich das Schauspiel vom Vorjahr. Der Krawall der Bürgerschaft war so gewaltig, daß den hilflosen Kommissaren nichts anderes übrig blieb, als sich auf und davon zu machen. In bitteren Worten beklagte sich darauf Herzog Maximilian bei Kaiser Rudolf II. Die Vorgänge kämen einer Demütigung seiner Person gleich, gegen die vorgegangen werden müsse. Mit der angedrohten Reichsacht solle daher endlich ernst gemacht werden. Verhängung der Reichsacht, das hieß, die Stadt und ihre Bürger für gänzlich rechtlos und vogelfrei zu erklären.
Der Morgen des 17. Dezember 1607 ist einer jener Wintertage, wie sie den Donauwörthern seit jeher vertraut sind. Nebel und Reif liegen über den kalten Flußauen, und schon jetzt kann man jegliche Hoffnung, daß die Sonne das Grau des Himmels irgendwann vertreiben werde, begraben.
Zwanzig Fähnlein zu 300 Mann, 5 Kompanien Reiter, die bayerisch-herzogliche Leibgarde, dazu Artillerie sowie 100 Wagen mit Offizieren, Beamten und Jesuiten bewegen sich schwerfällig über die künstliche Schiffsbrücke. Und siehe da: Wie von selbst öffnen sich die Pforten der Stadt. Kein einziger Schuß fällt, als die Truppe unter den Arkaden des inneren Donautors hindurchzieht. Es herrscht Totenstille in der Stadt. Türen und Fenster sind verriegelt, nicht wenige Bürger zuvor geflüchtet. Anschließend bewegt sich das letzte Aufgebot langsam zum Marktplatz, um die Herrlichkeit der einstigen freien Reichsstadt endgültig zu Grabe zu tragen.
„Wie Gott die Israeliten mit trockenem Fuße durch das Meer geführt hat, so hat seine Allmacht dem Herzog von Bayern einen trockenen Sieg über die Ketzer verliehen“, frohlockte kurz darauf ein Kapuzinerprediger. Auch der sonst so schwermütige Kaiser soll aufgelacht haben, als ihm die Nachricht von der Einnahme der Stadt überbracht wurde. Und in Rom jubelten der Papst und die Kardinäle über jenes Ereignis, das den „Ketzern Vorsicht und Gehorsam lehren“ werde.
Um so größer war der Zorn der protestantischen Reichsstände. „Alle jesuiter und nonnen ertrenken“, forderte ein Ulmer Chronist unter dem Eindruck der Ereignisse. Lieber hätte man die Stadt unter der Gewalt der Türken gesehen als unter jenem „antichristlichen römischen Joche“.
Tatsächlich begannen die bayerischen Besatzer bald nach dem Einmarsch mit der Rekatholisierung. Nicht nur unter den protestantischen Reichsfürsten war deshalb von einem offenen Bruch des Augsburger Religionsfriedens die Rede. Davon einmal abgesehen hätte der kaiserliche Achtvollzug per Reichsrecht eigentlich dem lutherischen Herzog von Württemberg zugestanden. Herzog Maximilian I., der Vorkämpfer des Katholizismus unter den deutschen Reichsfürsten, sah dies natürlich anders. „Diese statt ist vor 200 jar auch bayrisch gewest“, rechtfertigte er den Schritt. Zudem würden die getroffenen Maßnahmen „der religion nit schad sein“.
Solche Aussagen vertrugen sich allenfalls bedingt mit dem Reichsrecht, geschweige denn mit dem Geist des Augsburger Religionsfriedens. Als im Januar 1608 der Regensburger Reichstag eröffnet wurde, setzten die protestantischen Reichsstände die Donauwörther Sache auf die oberste Tagesordnung. Es war die „Furcht vor den kaltsinnigen Katholiken“ die sie trieb, vor allem aber die Sorge vor einem Generalangriff auf den Protestantismus. Unter solchen Bedingungen erwies sich eine Verständigung zwischen den Konfessionen schwieriger denn je. Schließlich, im April 1608, verließen die führenden protestantischen Reichsstände den Reichstag unter Protest.
Ein ordentlicher Reichstagsbeschluß kam nicht mehr zustande. Nachdem schon die anderen Verfassungsorgane durch jahrzehntelange konfessionelle Streitigkeiten lahmgelegt worden waren, erwischte es nun auch den Reichstag. Wo die zivilen Organe versagten, kam nur noch Selbsthilfe in Frage.
Schon kurz darauf, im Mai 1608, formierte sich in Auhausen ein Bündnis protestantischer Reichsfürsten: Die Union. Das Ziel: die Wahrung des Reichs- und .Landfriedens .gegen einen potentiellen katholischen Angriff.
Die katholische Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Am 10. Juli 1609 erfolgte die Gründung des Liga-Bündnisses unter der Schirmherrschaft des bayerischen Herzogs. Auch hier lautete das oberste Ziel: Schutz der Reichsverfassung, wenn möglich mit Gewalt.
Damit standen die feindlichen Militärbündnisse des Dreißigjährigen Krieges fest. Bis dieser zum Ausbruch kam, sollten allerdings noch neun Jahre vergehen.

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