Brauchtum in Auhausen und Lehmingen - von Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler und Robert Kaußler -
Erntedank-Fest
Ein „verwurzelter“ Feiertag ohne offiziellen Charakter
In der Besinnung an ein Leben in und mit der Natur, wie es alle Generationen in allen Landstrichen vor unserer Zeit geführt haben, ja sogar führen mussten, soll ein weiterer Beitrag aus der Reihe „Brauchtum in der Region“ an das Erntedankfest in der schwäbisch-fränkischen Region aus Sicht des Brauchtums erinnern. Natürlich ist es äußerst schwierig, das Brauchtum allgemein gültig festzuschreiben. Nichtsdestotrotz haben Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler und Robert Kaußler „Alltägliches“ und „Feierliches“ aus dem früheren Leben in den ehemals fränkischen Dörfern Auhausen und Lehmingen am schwäbischen Riesrand zusammengetragen. Hierbei sind exemplarisch Bräuche ausgewählt worden, die erstens bis in unsere Zeit herein verfolgt werden können und zweitens typisch für unsere Region sind bzw. waren.
Das Erntedankfest ist in westlichen Kulturen eine traditionelle Feier nach der Ernte im Herbst, bei der Gott für die Gaben der Ernte gedankt wird.
Bei dieser kirchlichen Feier werden Getreide sowie Feld- und Gartenfrüchte und andere, als Gaben bezeichnete Produkte, denen man eine besondere Naturnähe unterstellt, wie z.B. Brot, Honig, Weintrauben usw. dekorativ in den Kirchen aufgestellt, oftmals ergänzt um eine aus Getreidegarben geflochtene „Erntekrone“.
Mit dem Erntedankfest soll an die früher sehr mühsame Arbeit in Landwirtschaft und Gärten erinnert werden und daran, dass es nicht allein in der Hand des Menschen liegt, über ausreichend Nahrung zu verfügen. Die Erntegaben werden nach dem Fest häufig an Bedürftige oder karitative Einrichtungen verteilt.
Der feierlich dekorierte Dorfbrunnen von Lehmingen
Blicke in die geschmückte
Klosterkirche von Auhausen
Erntedankfest in der Region Jeweils am 1. Sonntag im Oktober feiern auch die die fränkisch-schwäbischen Dörfer Lehmingen und Auhausen das Erntedankfest. Getreide- und Kartoffelernte sind weitgehend abgeschlossen, die Rübenernte hat begonnen – sofern diese immer seltener anzutreffende Frucht angebaut wird. Ältere Bürger erzählen noch immer, dass nun das Vieh auf die Weide getrieben werden durfte. In den Orten erklingen die Kirchenglocken ab sofort wieder früher zum Gebetläuten.
Zur Vorbereitung dieses Festtages sind zahlreiche Menschen in den Kirchengemeinden aktiv: Die jeweiligen Konfirmandenjahrgänge gehen unter der Woche vor Erntedank von Haus zu Haus, um nach einer angemessenen Spende für den feiertäglichen Altarschmuck zu bitten. Früher hat in Auhausen ein jeder Haushalt ein paar Getreidegarben bzw. eine Frucht vom Feld oder vom Garten gegeben, je nach dem, was er entbehren konnte. Speziell in Lehmingen war bis in die 1980er Jahre eine Getreidesammlung von Hof zu Hof üblich. Einerseits wegen des großen Aufwandes und andererseits wegen der enorm zurückgewichenen Landwirtschaft bekommen die jungen Sammler neben einigen Früchten und Obst oftmals eher eine Geldspende.Am Samstagnachmittag werden in Auhausen die Klosterkirche St. Maria und die Lehminger St. Martinskirche mit den Naturgaben geschmückt. Auf den Altar kommen wunderschöne, bunte Herbststräuße aus einem Bauerngarten, dazu ein Laib Bauernbrot und einige Reben Weintrauben (in Erinnerung an die Abendmahlsgaben). Auf dem Taufstein steht eine ansehnliche Erntekrone, gebunden aus Weizen, Roggen („Kora“), Gerste und Hafer. Am Boden steht ein Sack Kartoffeln, etliche Futterrüben und allerlei Obst und Gemüse.
Nach wie vor gilt das Erntedankfest in der Region als „hoher Feiertag“, zu welchem es für zahlreiche Gemeindemitglieder üblich ist, am sonntäglichen Kirchgang teilzunehmen. In den Kirchengemeinden Auhausen und Lehmingen wird dieser Gottesdienst vom Posaunenchor, bzw. der Blaskapelle feierlich umrahmt.
In Lehmingen, wo traditionell die Kirchweih eine Woche vorher an Michaeli gefeiert wird, ziehen zum sonntäglichen Erntedank-Gottesdienst noch immer der Pfarrer und die Kindergottesdienstkinder, jedes mit einem Körbchen mit Obst oder Gemüse in der Hand, unter den Klängen der gespielten Orgel in feierlichem Zug in das Gotteshaus ein. Am Altar werden die Gaben abgestellt.
Eine „Besonderheit“, wie sie in der heutigen Zeit in unserer Region nicht mehr bekannt sein dürfte ist in den Annalen der Gemeinde Auhausen niedergeschrieben: Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges ist in dem ehemaligen Klosterdorf ein alljährlicher Erntedankumzug organisiert worden. Noch heute kann anhand historischer Bildzeugnisse der Aufwand erahnt werden, den die Vereine und die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung betrieben haben, um mit zahlreichen Pferdegespannen und Fußgruppen der eingebrachten Ernte zu huldigen. Zum Abschluß der Veranstaltung gab es einen Einmarsch aller Beteiligten in den Klosterhof mit anschließendem Tanz und Gesang.
Bilder vom Erntedank-Umzug 1935 durch die ehemals fränkische Gemeinde Auhausen
Geschichtlicher Hintergrund Der Ursprung des Erntedankfests reicht bis in die vorchristliche Zeit zurück. In Mitteleuropa wurde Erntedank zur sog. „Herbst-Tagundnachtgleiche“ (Herbstbeginn – 22. September) mit einem Dankopfer gefeiert. In der christlichen Kirche ist ein Erntedankfest seit dem 3. Jahrhundert belegt. Weiterhin ist bekannt, dass aus einem vorchristlichen Erntefest das Michaelsfest ( Michaeli in Erinnerung an den Erzengel Michael – 29. September) entstanden ist, das in der Woche nach Herbstbeginn mit Opferfeierlichkeiten für den germanischen Gott Wotan verbunden war.
Seit dem Mittelalter kennt man verschiedene Daten für eine Erntedankfeier. Nach der Reformation bürgerte sich in manchen evangelischen Gemeinden eben Michaeli oder ein dem Michaelitag benachbarter Sonntag ein.
Offizieller Bestandteil des Kirchenjahres ist das Erntedankfest aber bis heute nicht, d.h. die Gemeinden sind nicht verpflichtet, das Fest zu feiern. Dennoch ist der Brauch des Dankes für eine gute Ernte seit langem üblich geworden.
Eine bekannte Regelung, dass das Erntedankfest ausdrücklich am Sonntag nach Michaeli gefeiert wird, geht auf einen Erlass des preußischen Königshauses aus dem Jahre 1773 zurück.
Im Jahr 1933 sollte eine Verfügung folgen, wonach das Erntedankfest „zentral am 1. Sonntag im Oktober gefeiert werden sollte“ und ist 1934 zum „nationalen Feiertag“ erhoben worden.
Unabhängig von allen Zeiten und aller Politik war immer die Bedeutung der Bauernschaft für das Land und die Bevölkerung im Vordergrund gestanden. Ein dabei in Deutschland weit verbreitetes Lied zu Erntedank ist Wir pflügen und wir streuen von Matthias Claudius.