Verlobung
Zu Beginn dieser „Prozedur“ stand (und steht) die Verlobung. Gaben sich zwei junge Leute das Versprechen der Ehe, waren sie „verlobt“. Hierzu ist aus Auhausen überliefert, dass an diesem Abend die anderen Ledigen „d`Henna kräha“ ließen. Hierzu erlaubten sich die jungen Burschen den „Spaß“, einen Hahn zu fangen und das Tier zu zwicken oder zu drücken, bis es zu krähen anfing. Sobald das in der Stube zu hören war, mussten die Brautleute zahlen, soll heißen, die Zeche der Beteiligten im Wirtshaus übernehmen.
Diese Tradition ist zwar gänzlich verschwunden. Nichtsdestotrotz ist auch heute noch der Hochzeit ein Fest „vorgeschalten“, zu welchem lediglich ein Termin festgesetzt wird, aber nicht namentlich eingeladen wird: Der Polterabend ! Unter dem Motto „Scherben bringen Glück“ findet dieser Brauch in der Regel vor dem (Eltern-)Haus der Braut statt. Anstatt Geschenke bringen die Gäste zahlreiche zerbrechliche bzw. „polternde“ Dinge mit (z.B. Porzellan, Fliesen, ja ganze Waschbecken und Toilettenschüsseln, metallene Gegenstände, wie Kronkorken, Blechbüchsen usw.). Nur Glas ist verboten; ein zerbrochener Spiegel würde beispielsweise „sieben Jahre Pech“ bedeuten!

In der „alten Zeit“ wurde am Tag vor der Hochzeit die Braut von ihrem Zuhause mit der Chaise (gesprochen: „Schees“ – Kutsche mit Halbverdeck) abgeholt und der hoch beladene Kammerwagen mit der Aussteuer überführt, „und wenn es nur vom Hinterdorf ins Oberdorf `nauf war“, wie ein alter Lehminger Bürger sich erinnert.
Traditionelle Bauernhochzeiten fanden bis in die 1960er Jahre am „Aftermedi“ (Dienstag) statt: „ Wenn i a´mol heirat und bin no leddi (ledig), dann halt i mei Hoagsat am Aftermedi!“ Als eine Art „Vorläufer“ zum Polterabend war der sog. Ledigen-Abend, wobei der Hochzeiter am Samstag vor dem Fest seinen Ausstand im Dorfwirtshaus zahlte. Einen landläufig bekannten „Hoagsatlader“ (Hochzeitslader), der in die Häuser ging und zum Fest lud, gab es in Auhausen und Lehmingen nicht. Nähere und weitere Verwandte mussten die Brautleute höchst persönlich laden. Dabei bekamen sie meist „an Oarplaatz“ (flache, gebackene Eierspeise).

Hochzeitstag
Etwa eine gute Stunde vor dem Kirchgang trafen die Gäste aus nah und fern im Hochzeitshaus ein und bekamen, während das Brautpaar auf dem Standesamt (die Wohnung des amtierenden Bürgermeisters war zugleich das Gemeinde- und Standesamt) weilte, zur ersten Stärkung ein Glas Wein, später auch ein Gläschen Sekt. Läutete es dann zur Kirche, holte der Pfarrer den Hochzeitszug ab, der sich inzwischen vor dem Haus versammelt hatte. In der Hand hielt er dabei ein weißes Tüchlein mit einer Zitrone, in der ein Rosmarinzweig als Symbol für Glück und Liebe steckte.

Hochzeitsgesellschaft in Auhausen (1930)

Unter den Klängen der Musik, die den Choral „Jesu geh voran“ spielte, setzte sich der Zug in Bewegung, in jüngerer Vergangenheit häufig gestoppt von Stricken, die von Kindern quer über die Straße gespannt werden. Erst wenn das Brautpaar den Kindern Geld oder Bonbons zugeworfen hat, darf der Hochzeitszug passieren. Entsprechend lang dauerte der Kirchgang, entsprechend viele Strophen musste die begleitende Musikkapelle anstimmen.
Nach dem Gottesdienst geleitete die Blaskapelle die Hochzeitsgesellschaft mit einem Marsch ins Wirtshaus zurück, wo sie sich fotografieren lässt. Wenn die Musik auf dem Podium Platz genommen hatte und bereit war für die „erschte drei Reiha“, tanzten zunächst die Braut (die übrigens bis zum Krieg kein weißes, sondern ein schwarzes Kleid trug) und der Bräutigam (in jener Zeit ausschließlich in Festtagstracht) allein drei Stücke, dann mit der „Hoagsatmad“ und dem „Hoagsatknecht“ (heute: Trauzeugen). Dann sang der Hochzeitslader oder ein Bursche aus der Hochzeitsgesellschaft:

Dia erschte zwoa Reiha, dia sin jetzt vorbei,
ka jederma tanza, sch´tet jederma frei!

Nun durften alle Hochzeitsgäste noch drei Tänze machen. Währenddessen hatten Leute aus dem Dorf den auf die Hochzeit geladenen Gästen „a Hoagsatguck“ (Tüte) mit allerlei nützlichen und neckischen Dingen bringen lassen. Der Überbringer, meist ein Kind, durfte dafür vom Glas trinken und bekam von den Aufträgerinnen im Gang (Flur) draußen noch eine „Hoagsatbrezg´a“ (süße Breze).
Das Essen war reichlich, aber durchaus „normal“. Zunächst gab´s eine Hochzeitssuppe mit mindestens „dreierlei Einlagen“, an der man sich satt essen sollte, dann ein Siedfleisch mit Blaukraut und Essigzwetschgen, als Hauptgang bei besseren Leuten einen Nierenbraten, bei den meisten aber einen Schweinebraten mit Kartoffelsalat und Gartensalaten. Was man nicht „zwang“ (schaffte, zu essen), wurde in Pergamentpapier eingewickelt und den Daheimgebliebenen mitgebracht. Als Nachspeise wurde ein Glas Wein, dazu ein Stück Biskuittorte gereicht. Nach dem Mittagessen wurde in Lehmingen für Metzger, Köchin und Spülerinnen ein Trinkgeld unter den Teller gelegt. In Auhausen hingegen wurde „d´r Schöpfer“ (Schöpflöffel) herumgereicht, wo jeder Gast ein Fünf-Mark-Stück einlegte.
Dann ging man „zum Hausg´schaua“. Der Schreiner hatte dort den jungen Haushalt auf Vordermann gebracht, die Näherin die Kästen eingeräumt, vielleicht auch ein wenig die „Wäsch auf Bschieß zammaglecht“, um den Anschein zu erwecken, als hätte die Braut eine große Aussteuer. Auch Stall und Hofstelle wurden begutachtet. Anschließend gab´s (bis etwa 1950) im Hochzeiterhaus den Kaffee.
Allmählich begab man sich wieder ins Wirtshaus, wo eine Tanzmusik aufspielte und wo es für die „Hoagsatmad“ fortan aufzupassen galt, dass die Braut nicht „ausg`führt“ wurde, und wenn es nur in die untere Stube oder bis zur andern Wirtschaft im Dorf war. Alles, was dort getrunken wurde, mussten sie und der „Hoagsatknecht“ bezahlen. Dafür bekamen sie später vom Hochzeitspaar „a scheans G`schenk“. Die „Musik“ holte die Gesellschaft dann wieder zurück in das Gasthaus, wo die Hochzeitfeier stattfand.
Brauch ist es auch heute noch, einen verwaisten Brauttisch umzudrehen und volle Weinflaschen auf den Tisch zu stellen, die dann der Brautvater zu bezahlen hat.

Mitglieder der Lehminger Blaskapelle nutzen die Gelegenheit, den verwaisten Brauttisch umzudrehen - auf Kosten des Brautvaters...

Die Leute vom Dorf waren abends selbstverständlich zum Hochzeitsfest geladen: Nach dem Abendessen trafen die „Gschenkleit“ zum „Ansing“ ein. Sie übergaben ihr Geldgeschenk offen. Der Hochzeitsknecht schrieb den Betrag in ein Büchlein, damit man wusste, was man bei ähnlicher Gelegenheit „schuldig“ war. Nach dem Krieg und bis in die 1960er Jahre herein waren zwei Mark (!) durchaus normal; das steigerte sich dann über fünf und zehn Mark in den 1970er Jahren bis zu zwanzig Mark zu Beginn der 1990er Jahre. Heute sind wesentlich höhere Beträge durchaus üblich.
Kurz vor Mitternacht wurde schließlich der „Nausmach“ getanzt. Die Burschen und Mädchen bildeten einen Kreis auf dem Tanzboden, nahmen die Hochzeiter in die Mitte und sangen Spottverse, zu denen das Brautpaar tanzte:

Jetzt bisch du verheirat, jetzt hosch du a Weib,
gell, dua mers net schlaga und sei mer recht gscheit!

Jetzt bisch du verheirat, jetzt hosch du an Maa´,
gell, dua mern guat fiatra, dass´r allaweil ka!

Jetzt bisch du verheir´at, jetzt bisch du a Weib,
jetzt sigsch du dei Lebtag koam Mädle mehr gleich!

D´r Hoachzeitre ihr Bettstatt, dia is frisch lackiert,
fünf Zentner hot´s Tragkraft, heit Nacht werd´s probiert.

Wenn d´r Hoachzeit´r tanzt, mee´ssat Brett´r se biaga,
in am dreiviertl Johr muass´r a Kindle wiaga!

Wer a Wittweib heirat' und Kuttlfleck isst,
der deff net d´ra denka, was denn g´wesa is!

Gebet hot´s scho glieta und Hoagsat is gmacht,
jetzt winsch mer dem Brautpaar a recht guata Nacht!

Heutzutage werden diese Verse kaum noch gesungen, dennoch lässt man die Brautleute trotzdem nicht so einfach nach Hause gehen. Auch heute noch werden „die letzten Drei“ für sie gespielt und mit ihnen getanzt. Danach muss der Bräutigam mit verbundenen Augen der Braut den Schleier abnehmen und in die Runde, der im Kreis um sie stehenden Ledigen, werfen; als Zeichen für den, der als nächster oder nächste zu heiraten hat.

Neueres Hochzeitsbrauchtum

Die ledigen Kameraden des Bräutigams malen einen weißen Kalk-Strich von der Wohnung desselben zur Wohnung der Braut auf die Straße, oft viele Kilometer lang, der am Ende in einem Herz endet - und manchmal mit einem Spruch oder Rat versehen ist („Deine letzte Chance“ – „Alles Gute – Deine Freunde“ o.ä.). Erst der nächste Regen verwischt diese Spuren wieder.

Auch kommt verdienten Vereinsmitgliedern gerne die Ehre zuteil, daß der jeweilige Ortsverein beim Ausmarsch aus der Kirche den Brautleuten ein Ehrenspalier stellt. Nach Überwindung der ein´ oder anderen Hürde gratuliert der Vereinsvorstand dem jungen Paar namens des ganzen Vereins.
	In der Nacht wird oft auch ein Strick über die Straße zum neuen Wohnhaus gespannt und mit Babywäsche behängt; manchmal wird ein Storch auf den Kamin gesteckt, häufiger schon ein Storchengestell im Garten aufgestellt mit einem Spruch: Dieser Baum soll ein Denkmal sein, bis das erste Kind trifft ein. E i n Jahr lassen wir Euch Zeit, bis das Baby in der Wiege schreit. Ist´s bis dahin nicht so weit, stellt gleich eine Brotzeit und 50 l Bier bereit.
Ein Junggesellinnen-Abschied der „besonderen Art“: Die Freundinnen der Braut haben eine Großraumlimousine bestellt und fuhren mit der bald Verheirateten zum gemeinsamen Feiern...