Brauchtum in Auhausen und Lehmingen - von Herbert Dettweiler und Robert Kaußler -
Maibaum und Walpurgisnacht
Maibaum
Der Maibaum, im Ries als Birke oder Fichte meist am Vorabend zum 1. Mai aufgestellt, gilt bei uns als Frühlings-Baum. Schon an Fasnacht begann der Kampf Winter – Frühling. Er findet nun am 30. April (Walpurgisnacht) und am 1. Mai sein Ende. Die „bösen Geister“ des Winters (Schnee, Sturm, Kälte, Eis) verlieren nun endgültig ihre Macht.
Jahrhunderte lang hatte man Angst vor den „bösen Geistern“ und Hexen. Man schützte sich, indem man Kreide-Kreuze an die Türen malte, Hufeisen und Gehörn an die Türpfosten des Stalles nagelte oder je zwei Besen kreuzweise mit dem Stiel nach unten zwischen die Türen stellte.
Für viele Volkskundler ist nun der Maibaum nichts anderes als ein alter Stangenkult mit „Geister scheuchender Bedeutung“. Die ledigen Burschen (inzwischen die Jugend) eines Dorfes holen den Baum im Wald, so auch in Lehmingen und Auhausen. Aus einigen Orten der Region wird noch heute berichtet, dass an die Maibäume – insbesondere in den Dörfern, wo Birken aufgestellt werden – vor dem Aufstellen allerlei Geschenke gehängt wurden, die von guten Kletterern herunter geholt werden durften. Früher drehten sich bei Blechmusik die Ledigen zum „Schweinauer“ (Tanz) um den geschmückten Baum.
Fichten wurden entastet und entrindet, denn unter der Rinde ist der Sitz der bösen Geister (Ungeziefer!), bis sie ausschaut wie ein großer Besen. Hierzu gibt es inzwischen die Abwandlung, daß von den Jugendlichen in die Rinde in tagelanger Arbeit kunstvolle Verzierungen geschnitzt werden. Anschließend wird der Baum geschmückt mit Zeichen des Frühlings: Kränze sind rund und gelten als Symbol für die Sonne. Möglichst bunte Bänder sollen wieder Farbe ins Jahr bringen. Der Sommer wird vorweg genommen.
Heute glaubt zwar niemand mehr an Hexen und böse Geister, die vertrieben werden müssen. Dennoch sieht man in dieser Jahreszeit überall schöne Maibäume mit noch mehr Schmuckelementen (Girlanden, Schrifttafeln, Fahnen, Wappen, einem geschnitzten Stamm usw.) als früher.
Das Aufstellen der Bäume wurde von je her von den Burschen mit sog. „Schwalben“ verrichtet, was nicht ganz ungefährlich ist. Deswegen wird inzwischen zunehmend dazu übergangen wird, die Bäume von Autokränen aufstellen zu lassen. Neben dem Aspekt der Sicherheit liegt das auch an dem Umstand, daß sich in den einzelnen Dörfern ein regelrechtes „Konkurrenzdenken“ herausgekehrt hat: Im größere und immer schönere Bäume… .
In vielen Dörfern der Region konnte die Maibaumtradition, die in den 1960er Jahren einzuschlafen drohte, wieder belebt werden, nachdem sich die Jugend wieder mehr auf Traditionen und Brauchtum besonnen hat. Schuld an dem seinerzeitigen Nachlassen der Maibaum-Aktivitäten waren eine zunehmende Fortschrittsgläubigkeit („Was wollt ihr denn mit dem alten Gruscht!“) und die Tatsache, dass viele Plätze zugeteert worden waren. Dazu hingen nun auch elektrische Leitungen von Haus zu Haus, und es war für die Burschen sehr schwierig, dort noch einen Baum aufzustellen, noch schwerer, ihn wieder zu werfen.
Gefördert hat die Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen, dass seit etwa zwei Jahrzehnten flächendeckend für das gesamte Ries (und inzwischen auch bei vielen anderen Anlässen in der fränkisch-schwäbischen Region) ein großer Wettbewerb „Wer hat den schönsten Maibaum?“ mit attraktiven Bierpreisen ausgelobt wird. Im Gegensatz zu Auhausen gibt man sich in Lehmingen ehrlicherweise nicht übermäßig viel Mühe mit dem Maibaum, aber bei diesem Wettstreit machen unsere Dörfer (Lehmingen meistens in der Disziplin „Birken“ und Auhausen bei den „Fichten“) alljährlich mit. Für Auhausen hat es zumeist zu einem Platz unter den besten zehn (unter über 100 Teilnehmer-Gruppen) gereicht. In Lehmingen konnte sich der Maibaum 1995 durchaus sehen lassen, wovon man noch heute spricht! Ebenso wie von dem „Maibaum-Malheur“ des Jahres 1996… .
Wie schon erwähnt, findet das Maibaum-Aufstellen immer am Vorabend des 1. Mai statt. Hierbei wird in den einzelnen Orten entweder von der Jugend oder von einem ortsansässigen Verein ein Grillfest für die gesamte Bevölkerung ausgerichtet. In Lehmingen umrahmte die Blaskapelle seit einigen Jahren das Maibaumfest im alten Lagerhaus musikalisch. Seit 2009 wieder am Dorfplatz, da jetzt der Baum wieder dort steht.
Die Walpurgisnacht (30. April)
Maibaumstehlen- oder umsägen gehört wie das Vertragen von nicht aufgeräumten Dingen nach wie vor zum Brauchtum in der Walpurgisnacht, die immer schon eine Hexennacht war, in der man sich vorsehen musste. Die ersten christlichen Missionare versuchten, diesen heidnischen Brauchtumstag mit einer Heiligenverehrung zu überlagern. Man erwählte die Heilige Walburga, weil deren Leiche an einem 30. April (871) von Heidenheim am Hahnenkamm nach Eichstätt überführt worden war. Überwunden konnte das Hexenbrauchtum aber dadurch nicht werden, wenn auch der heutige Schabernack nicht mehr aus Geister scheuchenden Beweggründen betrieben wird.
Geblieben ist aber auch der Brauch, in dieser Nacht dem angebeteten Mädchen ein Birkenbäumchen, den leichtfertigen und hochnäsigen Mädchen aber einen Stallbesen zu stecken.
Der 1. Mai - ein Feiertag
Der 1. Mai ist aber nicht nur ein Frühlingsfest, sondern auch ein wichtiger Tag für die Arbeiter. 1889 machten die Arbeiter in Paris auf ihre schlechte Lage aufmerksam. Für wenig Lohn mussten sie täglich 12 Stunden arbeiten. Sie demonstrierten für den 8-Stunden-Tag. Was ihnen von den Arbeitgebern zugestanden wurde war der eine „Tag der Arbeit“ als Feiertag. Aber erst 1918 wurde dieser Tag in den meisten Ländern Europas gesetzlicher Feiertag; in Deutschland gar erst 1933!
Als Zeichen des Sieges nagelten die Arbeiter und Handwerker ihre Zunftzeichen an die damals schon bekannten Maibäume. Jeder sollte wissen: „Wir Bäcker, wir Metzger, wir Brauer halten zusammen!“ So entstanden zunächst in den Städten die Zeichen am Maibaum.
Das Aufstellen eines Maibaums mit „Schwalben" -
eine Tätigkeit für „echte Burschen"
(Bilder oben: das alte Sägewerk-Gelände in
Auhausen -
jetzt Zimmerei Stark)
Auhausen: Tanz um den Maibaum in der 50er Jahren
Neue Ideen: Der Maibaum 2009 in Auhausen
mit „integrierter" Grillbude
hier eine dramatische Maibaum-Anekdote:
Maibaum stürzt auf Kreisheimatpfleger Nur äußerst knapp dem Tode entging Brauchtums- und Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler am Montag, den 5. Mai 1997, während der Kirchweihfeierlichkeiten in Auhausen als - infolge einer Windböe die gesamte Krone des diesjährigen Maibaumes auf die darunter sitzenden Gäste herabstürzte. Dettweiler, der nach einem kurzen Schrecken sein üppiges Kirchweihmahl beenden konnte, zog sich glücklicherweise lediglich geringfügige Prellungen zu.
Bilder rund um den Maibaum
- oder: wie entsteht ein Maibaum?
Ein Bild aus frühen Tagen:
der Maibaum in Auhausen
Der ansehnliche Lehminger Maibaum
des Jahres 1995
Der Auhauser Maibaum des Jahres 2000 -
ein Siegerbaum (das offizielle Jury-Bild)
Die Dorfjugend von Auhausen beim Heraustragen bzw. Holen des künftigen Maibaums
Ein Teil der Maibaum-Tradition:
das Baum-Holen per Pferdegespann
(Manfred Eisen mit der Auhauser Jugend)
Der gewaschene Baum wird hergerichtet
„filigrane" Arbeit - eine Woche künstlerischen Schaffens
„nur" ein Baumstamm mit Schnitzereien?
fast fertig...!
Arbeiten...
...am Unterbau
Das Aufstellen des Maibaums per Kran - ein Muß
(Länge: über 30 m!)
Der fertige Maibaum mit Zunftzeichen und Figuren
zum Auhauser Handwerk im abendlichen Licht
Zur Geschichte des Maibaums:
Die älteste Nachricht für ein „Maien-Stecken“ (für Mädchen) in Deutschland stammt aus dem Jahre 1224.
Kirchweihbäume, Tanzbäume, Mädchenbäume sind in Franken ab dem 14. Jahrhundert bezeugt.
Während des 30-jährigen Krieges steckten in Straßburg Soldaten ihrem Obristen zum Maibeginn einen (großen) „Maien“ mit Kranz und bunten Bändern.
Ab dieser Zeit war eine Verbreitung über ganz Europa als Frühlingsbaum mit Kränzen (Sonne!), bunten Bändern (bunte Blumen), meist geschältem Stamm (unter der Rinde sitzen die Schädlingen = böse Geister = Rest von heidnischem Brauchtum) zu verzeichen.
Im Oettinger Forst herrschte von 1788 bis 1827 ein Verbot des Maienholens!
Im 3. Reich wurde der Maibaum zum „germanischen Erbe“ erklärt. Die Fruchtbarkeit eines Dorfes sei abzulesen an der Größe eines Maibaums, was nicht von der Hand zu weisen ist, da viele ledige Burschen einen größeren Baum aufstellen können als wenigere Burschen.
Maibaum-Malheur in Lehmingen 1996 Der 1. Baum: Stamm splittert beim Fällen.
Der 2. Baum wird zwar noch gut nach Hause gebracht, doch bei einer Einkehrpause im Sportheim wird er „traditionsgemäß“ von Burschen aus Auhausen abgesägt, nachdem man ihn draußen unbewacht gelassen hatte.
Der 3. Baum wird gut gefällt, aber auf Umwegen nach Lehmingen gebracht, um nicht durch Auhausen zu müssen. Hierbei ereignete sich ein Unfall mit Bruch des Gipfels.
Dieser Gipfel wird vom Schmied „geschient“. Nun ist aber über Nacht der vorbereitete Kranz aus dem Lagerhaus entwendet worden, so dass mit Eile ein neuer Kranz gebunden werden musste.
Als nun alles bereit ist zum Aufstellen, bemerkt man, dass das Einstich-Loch mit Kies aufgefüllt worden war.
Auch dieses Hindernis wird beseitigt und der Baum wird aufgestellt.
Doch: In der Nacht vom 1. auf 2. Mai schlägt der Blitz in die eiserne „Bandage“ und reißt den Gipfel herunter.
Das Ergebnis: 1996 steht 30 Tage nur eine lange Stange mit Kranz in Lehmingen!