Am Rosenbuck im Frühlingsglück
Steh ich am Ostermorgen
Und sende meinen Blick zurück
Auf´s Dorf, das wohlgeboren
Im Tal zu meinen Füßen liegt
Vor sanft geschwungenen Höhen
Dem Kellerberge angeschmiegt
Auf dem zwei Linden ´stehen
Die zwei, so scheint es, halten Wacht
Auf vorgeschobnen Posten
Das Tal nach Nord und Süd verflacht
Und hebt sich fern im Osten
Wo Hohentrüding, Spielberg grüßt
Entfernt gar manche Stunden
Vor mir im Grund die Wörnitz fließt
Gemächlich, viel gewunden
Und über allem liegt der Schein
Der warmen Frühlingssonne
Ich trink dies Bild in mich hinein
Mit unsagbarer Wonne
Du kennst den Blick, Du kennst das Bild
Laß einst es zu Dir sprechen
Wenn Du Dein Fernweh hast gestillt
Wenn Hoffnungen zerbrechen
Dann kehr zur Heimat Du zurück
In diesen schlichten Zeilen
Bei diesem Bild, bei diesem Blick
Beruhigt zu verweilen
Zwei Kameraden
Sie haben für ein paar nächtliche Stunden
Sich brüderlich wieder zusammengefunden,
Die beiden Stöcke der beiden Herrn,
Die selber inzwischen sind auch nicht fern.
So hängen sie still denn im Treppenhaus
Und warten, bis oben die Sitzung ist aus.
Sie hängen ergeben und neigen die Köpfe,
Die dienstbeflissen harrenden Tröpfe.
Ganz leise nur hört man mitunter im Düstern
Sie während des Wartens tuscheln und flüstern;
Getreuen Dienern gar wohl zu vergleichen,
Die alles wissen und dennoch schweigen.
Wünsche
Auf Wünsche sind wir Menschen angewiesen.
Doch jedes echte Wünschen ist ein Tun,
Aus ihm erst wahre, reine Kräfte fließen,
In ihm mag uns´re ganze Zukunftruhn.
Es soll uns jedes Mißgeschick erhellen
Und es uns werden lassen zum Symbol.
Daß wir, wenn auch bisweilen Tränen quellen,
Zum Schluß des reinsten Glückes werden soll.
Minette und der Frosch
Minettchen geht im Wald spazieren
An Onkels Hand ein kleiner Held,
Da kann so leicht ihr nichts passieren
In dieser großen fremden Welt.
Doch sieh, da hüpft aus moos´gem Grunde
Ein Fröschlein klein und zierlich noch.
Versuchend klingt´s aus Onkels Munde:
„Fang mir den kleinen Burschen doch!“
Sie bückt sich nach dem winz´gen Springer –
Die Sache kann gefährlich sein –
Behutsam spitzen sich zwei Finger,
Die andern krümmt sie ängstlich ein.
Bedenklich wird das Abenteuer.
Ganz reglos kauert nun Minett.
Die Augen blicken scheu und scheuer.
„Lieb´s Onkele, i trau mi net!“
Aus Holz geschnitzte Heuschrecke
Ist sie auch aus Holz geschaffen,
Kennt sie nicht des Holzes Schwere,
Kann sich kühn zum Flug aufraffen
Über Länder, über Meere.
Lernen wir, die Vielbeschwerten,
Wie durch kühnes Springen, Fliegen
Plötzlich klein die Dinger werden
Und die Schwerkraft wir besiegen.
Vergangenheit
Über des Lebens köstlichen Stunden
Stehet das Wort von der flüchtigen Zeit.
Haben wir´s schmerzlich nicht oftmals empfunden?
Aber doch ward Unverlierbarkeit.
Was wir mit vollem Bewußtsein genossen,
Was uns beglückt hat und herzlich erfreut.
Strahlend bleibt darüber gegossen
Das Leuchten „besonnter Vergangenheit“.
Geburt und Tod
Das eine kommt, das andre geht.
Hier steigt empor, dort sinkt die Schale.
Ein leichter Wind vom Weltraum weht.
Es siegt das Licht im Erdentale.
Kerze
Wie der spiralige Schaft
Der Kerze zur Flamme emporstrebt
Und sich selbst verzehrt
Ihr Licht und Leben verleiht,
So der gestaltete Geist,
Der, ganz seines Ursprungs vergessend,
Stets nach dem Göttlichen strebt,
Dem er sich einstens geweiht.
60 Jahre
Wenn wir die „60“ überschreiten,
Beginnt das biblische Jahrzehnt,
Das ernster, doch nicht arm an Freuden,
Das aus sich selbst sich erst verschönt.
Gleich wie dem Herbst sind Farben eigen,
Die nie der Lenz hervorgebracht,
So auch den Jahren, die sich neigen,
Der Herzens wärmste, tiefste Macht.
Reflexion
Unaufhaltsam zerrinnt wie diese Stunden Dein Leben.
Täglich lernst Du dies und begreifst es doch nie.
Sieh, dem Bewußtsein verdanken wir ganz allein
Unser Menschsein,
Und es verursacht zugleich jedwede bittere Not.