Die Glocken der Klosterkirche Auhausen
In Auhausen wie ringsum in allen Dörfern und Städten begleiten die Kirchenglocken das Leben der Menschen von der Taufe bis zum Lebensende. Aber sie schlagen auch die einzelnen Stunden an und läuten die Abschnitte des Tages von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ein.
Allerdings hat dieses Geläute für viele Menschen unserer Zeit nicht mehr die Bedeutung von einst: nämlich die der Zeitansage und der Mahnung, morgens, mittags und abends mit der Arbeit innezuhalten und ein kurzes Gebet zu sprechen. Wie dem auch sei, ob beachtet oder nicht – die Glocken verrichten ihren Dienst heute wie eh und je.
In der ehemaligen Klosterkirche von Auhausen sind es fünf Bronze-Glocken, die wegen ihres Altertum-Wertes weder im ersten noch im zweiten Weltkrieg zum Einschmelzen abgeliefert werden mußten.
Die älteste Glocke stammt aus dem Jahre 1264. Es ist die „Zwölfuhrglocke“ auf dem Südturm. Sie wurde in Worms gegossen und trägt eine lateinische Inschrift mit Majuskeln (ANO DMI M. C.C. L. XIlll. HOC, CIBALV E. FACTV A MARCO [oder: MAGRO] HEICO DE WORMACIlA ABBE GER/VNGO), die Auskunft über Gießer und Auftraggeber gleichermaßen gibt. Diese lautet auf deutsch: "Im Jahre des Herrn 1264 ist diese Glocke gemacht worden von Marco Heiko aus Worms unter Abt Gerung" (alternativ übersetzt: … von Meister [oder: Magister] Heicus [oder: Henricus] von Worms, Abt. Gerung“). Ihr Durchmesser beträgt 92 cm.
Diese Glocke steht an erster Stelle unter den datierten Glocken des 13. Jahrhunderts in Schwaben.
Von Meister Heicus wird angenommen, daß es sich um einen Mönch handelt, da zu dieser Zeit das Glockengießerhandwerk ausschließlich deren Privileg war. Ein bemerkenswertes Detail an dieser Glocke, welches erst wieder in der Barockzeit üblich wurde, sind die Engelsköpfe ab der Krone. An einem der Kronenbügel ist außerdem der Name IONAS eingemeißelt.
Weiterhin wird historisch angenommen, daß zwischen 1235 und 1264 die beiden Westtürme der Klosterkirche von Auhausen neu erbaut worden sind – und mit Fertigstellung der Baumaßnahme diese älteste Glocke von Auhausen aufgezogen worden ist.
Nicht viel jünger ist die „Vesperglocke“ eines unbekannten Meisters auf dem Nordturm, welche an der Schulter die Inschrift in gotischen Majuskeln trägt: „SANCTVS LVCAS S´ MARCVS S´ MATHEVS S´ IOHANNE †“ und hat einen Durchmesser von 53 cm. Sie ist den vier Evangelisten St. Lukas, St. Markus, St. Matthäus und Johannes geweiht und stammt aus dem Jahre 1280.
Interessanterweise hängen im Turm der Pfarrkirche Obermichelbach, welche dem Kloster Auhausen inkorporiert war sowie in der Feuchtwanger Sankt-Johannes-Kirche Glocken mit übereinstimmender Inschrift und gleichen Merkmalen, was unzweifelhaft auf denselben Urheber schließen läßt.
An ihrer Seite hängt – auf das gleiche Jahr datiert – die kleine „Taufglocke“ mit 46 cm Durchmesser. Ihr Schöpfer, ebenfalls ein Gießer monastischer Herkunft, gibt seinen Namen auf deutschen, gotischen Majuskeln in der Schulterinschrift an: "HAINRICH VON WINDESHEIN GOZ MICH". Außer einer Wulst am unteren Rand (Schlagring) ist dieses Glöcklein schmucklos.
Um 1320 kam dann mit 102 cm Durchmesser die größte Glocke auf den Südturm.
Die sogenannte „Feuerglocke“ trägt als (etwas fehlerhafte) Umschrift den „Englischen Gruß“ auf lateinisch in gotischen Majuskeln "AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINVS TECVM BENEDICTA TV IN MULIERIBVS ET BENEDICTUS FRVCTCS VENTRI TVI AMEN - NOS CVM PROLE PIA BENEDICAT VIRGO MARIA O REX GLORIE VENI NOS CVM PACE AMEN" (Gegrüßet seist Du Maria voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Amen – uns und unsere Nachkommen segne, milde Jungfrau Maria, o König der Herrlichkeit, komm zu uns mit deinem Frieden). Dieser Gebetstext weist in das 6./7. Jahrhundert zurück und ist ein wesentlicher Bestandteil des Rosenkranzes.
Auch wenn hier gleichfalls ein Gießername fehlt, deutet der Inhalt der Widmung sowie das sechsblättrige Kleeblatt und kleine Glöckchen zwischen den einzelnen Worten auf die Keßler´sche Gießhütte in Nürnberg hin.
Identisch in Form und Inschrift ist die „Elfuhrglocke“ im Südturm. Sie hat einen Durchmesser von 88 cm und stammt aus dem Jahre 1340. Zwar ist hier der „Englische Gruß“ („AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINVS TECVM BENEDICTA TV IN MULIERIBVS ET BENEDICT“) nicht in voller Länge aufgeführt – und auch die beiden weiteren Fürbitten fehlen. Auffallend sind die einzelnen Worte der Inschrift durch Rosetten von einander getrennt.
Diese Glocke ist gleichermaßen der Gießerei Keßler (Hermann Keßler) zuzuschreiben. Zu dieser Zeit war das Gießerhandwerk nicht mehr in Händen von Mönchen. Die ratsfähige und begüterte Familie aus Nürnberg hat ihr Handwerk ortsfest ausgeübt.
Persönliche Anmerkung von Frau Margarethe Meyer: „Von dieser Glocke wurde mir von einzelnen Leuten aus dörflicher Überlieferung erzählt, daß sie geläutet wurde zum Dank für die Errettung vor der Türkengefahr 1683 [Rüdiger von Starhemberg]).“
Seit Jahrhunderten tun die Glocken Tag für Tag ihren treulichen Dienst.
Aber Glocken haben in der Vergangenheit in den Kirchengemeinden nicht nur ihre eigentliche Aufgaben gehabt. Wie ihr Name schon aussagt, diente die größte Glocke von Auhausen darüber hinaus als "Feuerglocke" – als Signal bei Brand oder anderer Gefahr. Schlug ihr Klöppel an, dann zerriß ihr dunkler Klang die Stille der Nacht. Sie schreckte die Dorfbewohner auf.
Persönliche Anmerkung von Frau Margarethe Meyer: „Diese Feuerglocke erlebte ich Anfang der (19)20er-Jahre beim nächtlichen Brand der Scheune von Meyer im Klosterhof (Hausname Torwart , denn es stand bis ca. 1825 ein Torhaus mit Türmchen zwischen dem [alten] Pfarrhaus und dem jetzigen Anwesen Hofmann-Kreuzer).“
All das liegt jedoch schon länger zurück. Heute nun hängt beim Läuten der Glocken niemand mehr an den starken Tauen. Die Technik hat ihren Einzug gehalten. Eine elektrische Uhr gibt schon seit einiger Zeit die Impulse und Motoren treiben das Geläute an.
Aber sicherlich erinnern sich ja manche ältere Bürger unter uns noch an die Zeit, in der um 11.00 Uhr zum Elfuhrläuten mit der Elfuhrglocke oder 12.00 Uhr zum "Mittagsläuten" zwei Schuljungen "offiziell" zehn Minuten vom Unterricht freigestellt und vom Lehrer in die Kirche geschickt wurden. Am Sonntag halfen dann mehrere Buben und Mädchen dem Mesner oder der Mesnerin beim Läuten der vielen Glocken.
Und noch eines wurde Geschichte: Im Jahre 1924 verlor eine Glocke (lt. Fa. Lachenmeyer die Elfuhrglocke) durch einen Sprung ihren Klang und wurde unbrauchbar. Ein Experiment bahnte sich an. Das Schweißwerk Hans Lachenmeyer aus Nördlingen schweißte sie als erste Glocke in Europa und zwar so gut, daß sie heute noch ihren Dienst verrichten kann. Dies Unternehmen war ein Wagnis sowohl für Herrn Pfarrer Wagner wie auch für den Rieser Unternehmer. Aber die Reparatur glückte. Festlich geschmückt konnte die Glocke wieder nach Auhausen zurückgebracht werden (Schweiß-Beschreibung aus 1924).
1988 sind nochmals vier der altehrwürdigen Glocken der Fa. Lachenmeyer anvertraut worden, um verschiedene Schäden zu beheben – und damit dem ehernen Quintett seinen „guten Ruf“ zu bewahren.
Die Auhauser sind stolz auf ihr Geläut. Es ist ein ehrwürdiges Geläut mit einem schönen Klang. Nur wenige Male im Jahr erklingt es im Reigen: dann, wenn das Jahr zu Ende geht und ein neues Jahr beginnt, zu Gottesdiensten zum Altjahrabend, am Neujahrstag und zur Konfirmation. Es möge so bleiben, daß wir uns von unseren Glocken rufen lassen und sie mögen wieder aufmerksamer gehört werden für die Minute der Andacht – im Hause, im Stall und auf dem Feld.
Das Glockenläuten aus Auhausen zum Anhören
Auszug aus dem Buch 75 Jahre Glockenschweißung (1999) zur Reparatur von 1924
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